Deine Recovery, dein Leben

Aus aktuellem Anlass widme ich dieser Folge dem Leben, denn mir wurde heute einmal mehr bewusst, wie die Essstörung von jetzt auf gleich unserem Leben ein Ende setzen kann. Das uns keine Zeit bleibt, auch wenn wir glauben, morgen reicht aus.

Das Gemeine an dieser Krankheit ist, dass sie sich still und heimlich einnistet und uns umprogrammiert, sodass der einzige Sinn und Zweck unseres Daseins der Essstörung dient.
Wortwörtlich: Wir dienen ihr, verfallen ihr und sind sogar bereit, unser Leben für sie zu geben – ganz bewusst und gleichzeitig unwissend, weil wir die Wahrheit nicht mehr an unser Herz lassen.

 

Die Essstörung ist ein stiller Suizid und das macht die Krankheit so gefährlich. Langsam aber sicher sind wir dabei, uns umzubringen. Die Reglementierungen aka Restriktionen werden zum Lebenskredo, dabei hat ein Leben mit der Essstörung nichts mit Leben zu tun. Doch sie gibt uns den vermeintlichen Halt im Leben, die Struktur, die Sicherheit, die Kontrolle, sodass wir gar nicht bemerken, dass uns der Boden unter den Füßen weg bricht. Und dann klammern wir uns umso mehr an ihr fest, während das Messer immer tiefer in unser Herz sticht.

Vielleicht spürst du den Schmerz, vielleicht nicht mehr – so oder so, du lässt dir keine andere Wahl. Aber was ist, wenn ich dir sage, dass DU die Wahl hast und das Leben nur eine klare Entscheidung weit entfernt ist?

Der Weg ist kein leichter, aber es lohnt sich. Und du kannst aus deinen verhängnisvollen Eigenschaften – die für eine Essstörung prädestiniert sind, nämlich Ehrgeiz, Perfektionismus, Disziplin, Feingefühl – in deine rettende Stärke umwandeln und für deine Recovery einsetzen. Eben mit deinem Ehrgeiz, deinem Perfektionismus, deiner Disziplin und deinem Feingefühl achtsam und konsequent an deiner Recovery arbeiten.

Es wird erst einmal weh tun, doch alles ist Kopfsache, alles ist Hartnäckigkeit, alles ist Konsequenz – es gibt nur Plan A und nur diesen einen Weg. Lass dir keine Schlupflöcher, denn die Essstörung wird dir nie wahrhaftigen Halt und Sicherheit geben. Aus dem Veränderungsschmerz wird schließlich ein Heilungsschmerz – wie eine offene Wunde, die wir von unseren falschen Glaubenssätzen bereinigen. Das brennt höllisch, aber wenn wir den Schmerz aushalten, stellt sich überraschend schnell eine Erleichterung ein. Es wird von Mal zu Mal leichter – aber das bedeutet auch, dass wir immer weiter machen müssen.

Süchte sind nichts anderes als ungesunde Gewohnheiten, die zur lebensbedrohlichen Gefahr werden können.

Wir müssen unsere ungesunde Komfortzone verlassen und eine Zeitlang gegen uns selbst anarbeiten, um aus jener ungesunden Gewohnheit, eine neue, gesunde zu machen. Also konsequent das Gegenteil von dem tun, was die Essstörung all die Jahre von uns verlangt hat.

Veränderungen sind immer ungemütlich und bringen Unsicherheiten mit sich. Wir sind evolutionär darauf gepolt, es uns so einfach wie möglich zu machen. Routinen sind für uns Menschen deshalb immer ein bequemes Pflaster, auf dem wir uns in vermeintlicher Sicherheit wiegen. Unsicheres Terrain möchte der Mensch als Gewohnheitstier am liebsten umgehen – auch wenn die Veränderung langfristig authentisches Glück mitbringt. Authentisch, weil dieses Glück unserer selbst entspricht und nicht von den Umständen abhängig ist.

Auch wenn du jetzt deine persönliche Erfüllung in der Befolgung jener kranken Prämissen siehst, mit der die Essstörung dich gängelt – die Essstörung wird dich nie wirklich glücklich machen können. Dein Glück ist eine Entscheidung. Und das Leben, wie gesagt, nur eine Entscheidung weit entfernt.

Ich möchte, dass du an das wahre Leben glaubst. An die Schönheit und Einfachheit.

Auch mich hat der Glaube einst verlassen, aber nur, weil ich vergessen habe, wie es geht – zu leben. Ich hatte nur noch Augen für die Essstörung, sodass das wahre Leben an Reiz verlor. Mehr noch, die Essstörung wusste jedes natürliche Verlangen zu unterdrücken, bis es mir nicht mehr schwerfiel, darauf zu verzichten. Aber genau dasselbe kannst du jetzt umgekehrt tun: Sei mutig und verlasse deine Komfortzone, die im Grunde eine Gefahrenzone ist und überliste dich selbst – Worte und Taten spielen sich dabei gegenseitig den Ball zu. Ein Umdenken führt zum Umsetzen, genauso wie ein Umsetzen ein Umdenken bewirkt. Rede dir das Richtige ein, rede dir vertrauensvoll zu und formuliere deine Glaubenssätze neu, damit du dort weitermachst, wo du als Kind aufgehört hast – damals, bevor du falsch abgebogen bist.

Wovor hast du Angst? Mach dir klar, dass die Essstörung es ist, die Angst und Sorge schürt und nicht du. Sie fühlt sich bedroht und weiß sehr genau, dass jegliche Genesungsmaßnahmen (wie beispielsweise eine Therapie) ihre Vorreiterrolle streitig machen könnten – die Essstörung aber will deine Nummer eins bleiben.
Willst du das auch? Dir alles Lebenswerte verbieten lassen und deine innere Wahrheit mit Lügen überschreiben? Ich spüre, dass du es auch noch spürst – diese Sehnsucht nach Freiheit.

Stelle dich deinen Ängsten

Angst kann hilfreich sein – nämlich genau dann, wenn sie dich davor bewahrt, ein zu großes Risiko einzugehen. Von der Unsicherheit getrieben, hält die Angst dich davon ab, dich einer möglichen Gefahr auszusetzen.

Genauso gut kann die Angst aber auch gefährlich werden, wenn ihr – wie im Falle einer Essstörung oder anderen ungesunden Abhängigkeit – falsche Glaubenssätze zu Grunde liegen. Frage dich deshalb: Wovor genau hast du eigentlich Angst?

Die Antwort darauf liegt nicht selten in der Vergangenheit. Frage dich deshalb: Was hast du als Kind geschlussfolgert und wovor meinst du dich beschützen zu müssen?

Glaubenssätze sind auch nur Sätze, deren Inhalt nicht der Wahrheit entsprechen müssen. Genau aus diesem Grund musst du in die Vergangenheit zurück, um deine Schlussfolgerungen als Trugschluss zu begreifen. Erst dann wirst du mit deiner Vergangenheit abschließen und dich an eine gesunde Zukunft aufmachen können.

Bedenke dabei: Essen ist Lebensenergie und hilft dir, nicht nur physisch, sondern auch psychisch zu heilen. Um die Veränderung auch im Kopf zu manifestieren, deine Synapsen neu zu verknüpfen, dich gesund umzukonditionieren, braucht es Energie. Genau aus diesem Grund habe ich mir immer gesagt, wenn sich meine Gefühle und Gedanken überschlagen haben: im Zweifel essen.

 
 
 
 
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